Die wahre Kraft der 140 Zeichen

Eric Posner hat in der FAZ 20 Thesen darüber aufgestellt, warum Twitter einfach nur Mist ist. Ich beziehe mich in meinen 20 Thesen jeweils auf die entsprechenden Thesen von Posner. Eine habe ich sogar wörtlich übernommen. Aber sonst … 

  1. Menschen melden sich auch den unterschiedlichsten Gründen bei Twitter an. Wenn sie bleiben, dann meist, weil Twitter für sie überraschend anders wurde als gedacht.
  2. Twitter erfüllt ungefähr so viele verschiedene Funktionen, wie es Twitterer gibt. Es ist für jede/n anders.
  3. Twitter bietet nahezu jede Information, und das schneller und präziser als jedes andere Medium. Man muss es aber richtig nutzen können.
  4. Twitter ist ein geniales Medium zur Kommunikation, zur Nachrichtenverbreitung, zur Vernetzung. Einfluss hat nur, wer gute und eventuell auch kontroverse (siehe Posner) Inhalte liefert.
  5. Milliarden Tweets haben Menschen im Herzen berührt, sie geärgert, Informationen geliefert, Vernetzung ermöglicht.
  6. Twitters wirklicher Zweck ist nicht, den Menschen zu helfen, an Informationen zu gelangen oder Einfluss auszuüben.
  7. Twitters wirklicher Zweck ist Vernetzung von Gleichgesinnten und kreativer Austausch mit Andersdenkenden. Kurz: Horizonterweiterung. Das mag und kann nicht jeder.
  8. Menschen reden, schreiben, machen Filme, singen, posten auf Facebook und twittern (im Folgenden in dem Begriff „Lebensäußerung“ zusammengefasst), um Reaktionen darauf zu erhalten. Nach Möglichkeit positive.
  9. Wenn ihre wie auch immer geartete Lebensäußerung positiv ankommt (Leserbrief, Applaus auf der Bühne, „Like“ bei Twitter, ein Kuss der/des Angebeteten), genießen sie einen Schub des „Glückshormons“ Dopamin.
  10. Es ist (nicht ganz) gleichgültig, auf welche Weise diese Reaktion erfolgt. Man ist glücklich darüber, dass andere Menschen auf die eigene Lebensäußerung positiv reagieren.
  11. Menschen geben in jedem Medium ebenso wie im Gespräch am ehesten Äußerungen anderer weiter, die ihrer eigenen Überzeugung entsprechen.
  12. Trotzdem ist es nicht befriedigend, nur das nachzuplappern, was andere erfolgreich von sich gegeben haben. Twitter kann dabei helfen, einen eigenen Standpunkt zu finden und auch argumentativ zu vertiefen.
  13. Der Ton von Tweets ist so vielfältig wie die Menschen, die sie schreiben. Wer nur abfällige oder empörte Tweets liest, folgt den falschen Leuten.
  14. Diese These von Posner ist so seltsam und verquer, dass mir keine passende Entgegnung einfällt (bzw. ich mir gar keine einfallen lassen will). Dafür will ich noch sagen: Twitter ist ein hervorragendes Training im kurzen und prägnanten Formulieren. Schwafeln gibt‘s hier nicht.
  15. Unglücklicherweise können Menschen auch negativ auf eine Lebensäußerung reagieren. Wenn das passiert, fühlt sich das Selbst bedroht, der Stress-Level steigt. Die regelmäßige kreative und kritische Auseinandersetzung auf Twitter kann ein Training zu besserer Stressbewältigung, einem klareren Selbstbild und damit zu besserer Konfliktbewältigung sein. Infantile Regression ist dann nicht nötig.
  16. In der virtuellen wie nicht-virtuellen Welt sind Menschen darauf bedacht, ein bestimmtes, möglichst positives Bild von sich abzugeben.
  17. In der virtuellen Welt – ob Facebook, Twitter oder andere Medien – treffen die eigenen Meinungsäußerungen oft viel kontroverser auf andere Standpunkte als in der nicht-virtuellen Welt. Das kann zu starken Anfeindungen führen. Gleichzeitig bricht dies aber auch die Filterblase der Gleichgesinnten auf, durch die viele in dem Glauben leben, alle Welt denke wie sie.
  18. So bricht Twitter, stärker als Facebook, das eigene Selbstbild auf, das sich Menschen von sich und der Welt machen. Diese Chance zur eigenen Weiterentwicklung gilt es zu nutzen.
  19. Es gibt Twitterer, die lieben Kartoffelchips, und schreiben trotzdem außerordentlich inspirierende Tweets. Werbeanzeigen gibt es übrigens eher auf Facebook und den Websites der klassischen Zeitungen.
  20. Twitter macht immer noch Verlust. Im Gegensatz zu Facebook und (vermutlich) der FAZ. Doch es ist eine ungeheure Bereicherung der Kommunikation. Würde Twitter abgeschaltet, wäre das ein großer Verlust für die vernetzte Online-Welt. Nur um Trumps Account wäre es nicht schade. 

Toll! ...und Twitter ist auch toll!
Ohne Twitter würden wir uns nicht kennen, ohne Twitter würde ich meine Freundin auch nicht kennen und lieben, ohne Twitter hätten wir jetzt (mit Deiner Mithilfe) kein Haus, ohne Twitter hätte ich jetzt keine Agentur, usw. Ohne Twitter wäre alles doof! Punkt! ;)