Beitrag zum FFF-Klimastreik: Zu wenig - noch nicht zu spät?

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ein Teil der Demonstrierenden (laut Polizei bis zu 500 Menschen)

Ich muss mich jetzt gleich schon mal für meinen Einstieg entschuldigen. Ich fange nämlich genau so an, wie Armin Laschet das gerne macht, aber keine Angst, es geht gleich anders weiter.

Also: Damals im Jahr 1976 – da war ich sechs Jahre alt – hat der Pfarrer Traugott Wettach einen neuen Liedtext zu einem bekannten Gospel geschrieben. Das Lied heißt „Du schufst Herr, unsre Erde gut“ und es steht heute im Evangelischen Gesangbuch, Nummer 652. Die ganze Diskussion über das Thema „Schöpfungsgeschichte“ lasse ich jetzt mal hier weg. Es geht um unser gemeinsames Thema: Die Erde – oder die Schöpfung, wie auch immer wir es nennen – für zukünftige Generationen zu erhalten. Ich zitiere mal ein kurzes Stück aus diesem Lied.

Lange Zeit, Herr, haben wir gehandelt unbedacht -
Schöpfer, Gott, erbarme dich!
Über deine Gaben, deine Schätze nicht gewacht -
Schöpfer, Gott, erbarme dich!

Ihr könnt euch ungefähr denken, wie’s weitergeht.

Wie gesagt, 1976. Und Club of Rome war noch ein paar Jahre früher. Also, wer sich wundert, warum das Klimathema auf einmal so wichtig geworden ist oder sich brüstet, schon in den 80ern erste Schritte unternommen zu haben, der hat halt einfach ziemlich lange geschlafen. Zu lange, zu gut.

Nicht nur ich bin mit Liedern wie diesem groß geworden. Bei uns Kirchen gab es eine sehr starke Bewegung unter dem Titel „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“. Da gibt es heute noch viele Christ*innen, für die das wichtig ist. Und sogar die CDU/CSU hatte damals gute Ansätze. Das möchte ich gar nicht bestreiten. Aber das alles ist nie eine so kraftvolle Bewegung geworden, dass sie die diese drängenden Probleme auch so angepackt hätte, wie es nötig gewesen wäre.

Zu wenig, zu spät. Das ist das Urteil über meine Generation, und es ist leider wahr.

Ich kann da jetzt nur für mich selber sprechen: Für mich ist das immer das Thema Nummer eins gewesen. Und trotzdem bin ich mit der Zeit müde geworden und immer mehr Kompromisse eingegangen. Hab wieder weißes Papier genommen, weil das Recyclingpapier immer schwerer zu bekommen war. Habe wieder Teelichter mit Alutopf gekauft statt die viel teureren Nachfüllpackungen für die Glasumrandungen. Das gab’s wirklich mal. Lauter so kleine, aber auch große Sachen. Und heute? Zu wenig, zu spät. Gilt auch für mich.

Ja, in der Kirche haben wir einiges getan, schon seit vielen Jahren. Mehrere Gemeinden in unserem Dekanat Schweinfurt haben das aufwendige Zertifizierungsverfahren zum Umweltmanagement „Grüner Gockel“ durchlaufen oder sind gerade dabei. Nächsten Monat beschäftigt sich die Dekanatssynode, also unser Parlament, intensiv mit dem Thema. Klimaneutral sind wir noch nicht, aber wir arbeiten sehr intensiv daran. Zu wenig, zu spät?

Deswegen: Es war und ist allerhöchste Zeit, dass die Jugendlichen laut geworden sind und uns ältere wieder aufgeweckt haben. Die Bewegung hat endlich Fahrt aufgenommen. Es gibt nicht nur Fridays for Future als Jugendbewegung. Es gibt die Scientists, es gibt Parents und Omas, Christians und Churches for future und so viele mehr, einfach People for future. Das macht mir Hoffnung: Wir haben noch eine allerletzte Chance, was zu drehen. Wir haben eine Chance auf Zukunft. Egal, wie die nächste Bundesregierung zusammengesetzt sein wird: Sie muss das zum Top-Thema machen.

Nein, nicht zum Thema. Es ist kein „Thema“ neben anderen, das plötzlich aus irgend einem Grund wichtig geworden ist. Es ist die Basis für alles Handeln, weil unsere Lebensgrundlagen auf dem Spiel stehen. Ohne ausreichenden Klimaschutz können wir alles andere vergessen, denn dann werden wir ziemlich bald ganz andere Probleme haben.

Wir hier haben die Chance, diese Wahl am Sonntag wirklich zu einer Klima- und Zukunftswahl zu machen. Deshalb, falls ihr nicht eh schon gewählt habt: Geht wählen, selbst wenn die Parteien nicht hundertprozentig euren Vorstellungen entsprechen. Geht wählen und ändert mit eurer Wahl die Politik. Redet mit euren Freund*innen darüber. Nehmt sie mit zur Wahl, auch wenn sie vielleicht andere Überzeugungen haben als ihr.

Es muss sich vieles ändern, damit wir auf dieser Welt überleben können. Was wir bisher in Sachen Umwelt- und Klimaschutz getan haben, ist definitiv zu wenig. Aber vielleicht, hoffentlich, ist es noch nicht zu spät.

Zum Schluss möchte ich noch die letzte Strophe dieses Liedes von 1976 vorlesen. Wie gesagt, es ist ungefähr 45 Jahre alt, aber es könnte von heute sein – und scheint wie für diese Bundestagswahl geschrieben zu sein.

Weck uns alle endlich auf, beende unsern Wahn -
Schöpfer, Gott, erbarme dich!
– weil sonst nach uns keiner mehr auf Erden leben kann -
Schöpfer, Gott, erbarme dich!